Fassade energetisch saniert und herausgeputzt

7. Juni 2019

Wärmedämmung führt zu eintönigen, langweiligen Fassaden? Stimmt nicht! Stuckateur Jörg Ottemeier widerlegt dieses Vorurteil mit der energetischen Ertüchtigung der Fassade eines Gründerzeit-Hauses und macht eine Bausünde aus den 1950er-Jahren rückgängig.

Werden rühmt sich damit, der älteste aller Essener Stadtteile zu sein. Schon vor weit über tausend Jahren gab es hier eine Abtei, seither floriert das Leben in direkter Nähe zur Ruhr. Die lange Geschichte spiegelt sich im Baubestand wider. Zwar gibt es so manchen Neubau, allerdings dominieren vor allem in den kleinen Seitengassen historische, prunkvolle Fassaden. Inmitten dieser Kulisse steht das vier Wohneinheiten umfassende Haus aus der Gründerzeit, das energetisch saniert werden sollte.

»An der Fassade hat es früher einmal Stuckprofile gegeben«, erklärt Stuckateurmeister Jörg Ottemeier, der mit seinem Team die Sanierung maßgeblich ausführte. »In einer Hau-Ruck-Sanierung in den 1950er-Jahrenwurden sie allerdings abgeschlagen.« Das Haus erhielt seinerzeit eine glatte Putzfassade. Moderne Zeiten – sowar es damals gewollt. Heute erstrahlt das Gebäudedank der Instandsetzung anhand historischer Fotosallerdings wieder in seinem alten Glanz.

Schlechter energetischer Ausgangszustand

Von der Energieeffizienz her konnte das Haus bereitsseit langem nicht mehr mit modernen Standards mithalten. Eine Wärmebildaufnahme zeigte den schlechtenenergetischen Ausgangszustand. Die gesamte Fassadeund das Dach strahlten enorme Mengen an Wärme ab.Eine besondere Schwachstelle bildeten die Fenster. Darüber hinaus zeigten sich seitlich an der Fassade in Höheder Geschossdecke zum ersten Obergeschoss sowie amDach im Bereich einer ehemaligen Dachterrasse deutliche Wärmebrücken.

Sanierung mit InstandsetzungsanspruchUm das Gebäude EnEV-konform zu sanieren war eine Vielzahl an Maßnahmen notwendig. Die gesamte Fassade erhielt eine 16 Zentimeter starke Dämmschicht.Um eine Verbesserung der Schalldämmung zu erzielen und gleichzeitig die Diffusionsoffenheit zu gewährleisten wurde hierzu Steinwolle als Dämmmaterialgewählt. Ottemeier: »Bei der Befestigung der Dämmung mussten wir die spätere Gewichtsbelastung durch die Stuckprofile berücksichtigen.« Aus diesem Grund wurde die Dämmung verdübelt. Mit 60 Dübeln pro fünf Quadratmetern Fläche lag die Zahl dabei bei dem doppelten des normalerweise Notwendigen. Die oberste Geschossdecke erhielt ebenfalls eine Dämmung. Um die Begehbarkeit des Geschosses zu erhalten, wurden dazu trittfeste Styroporplatten verwendet und anschließend mit Verlegeplatten aus Pressspan abgedeckt. Der darüberliegende Spitzboden wurde winddicht gemacht. Die Fenster des Hauses wurden ausgetauscht und, um eine optimale Dämmwirkung zu erwirken, in die Dämmebene vorgezogen. »Dadurch entstanden deutliche Mehrarbeiten im Innenraum«, so Ottemeier.Die inneren Fensterwangen erforderten eine Instandsetzung, die Fensterausschnitte insgesamt neue Fensterbänke.

Dachterrasse erfordert abgehängte Decke

Das Wärmeleck an der ehemaligen Dachterrasse verlangte besonderes Augenmerk. »Die darunter liegende Geschossdecke war bereits einmal abgehängt worden«, so Ottemeier. »Da die Wohnung unter der Dachterrasse während der gesamten Sanierungsphase bewohnt war, konnten wir sie nicht zurückbauen.« Die Lösung bot schließlich eine freitragende Konstruktion, mit der die Decke erneut abgehängt und die darüberliegende Dämmung verborgen wurde. Auf diese Weise wurde gleichzeitig die Schalldämmung der Wohnung verbessert.

Sockelbereich verkieselt

Eine weitere Herausforderung bot der Sockelbereich. Das Mauerwerk war feucht, so dass es erst verkieselt werden musste. Die horizontale Sperre verhindert nun das weitere Aufsteigen der Feuchtigkeit in die Raumwände des Erdgeschosses. Als Dämmstoff für den Sockelbereich wurde bis zur Spritzwasserhöhe XPS eingesetzt. Die Dämmung setzt auf dem öffentlichen Gehweg auf.

Gestaltung des Ursprungszustands

Auf Basis dieser energetischen Ertüchtigung konnte schließlich die endgültige Gestaltung des Gebäudes erfolgen. Als Ausgangslage dienten historische Fotos. Dasbestehende Dachgesims bot für die Dämmung eine ausreichende Tiefe und blieb daher bestehen. In Höhe der Geschossdecke des ersten Obergeschosses wurdean der Frontseite des Hauses ein Geschossgesims ergänzt und mit zusätzlichen Stuckleisten verziert. Unter den Fenstern wurden ebenfalls Stuckprofile angeordnet. Das Erdgeschoss erhält durch Bossen seinen besonderen Charme. Die Stuckarbeiten führte eine befreundete Firma aus, die Farbgestaltung übernahm das Team von Ottemeier. Ebenso den Verputz der Seiten- und der Rückwand des Hauses. Beide erhielten einen Edelkratzputz in Dickschichtung. »Wie früher«, lacht Ottemeier, »da wurde ebenfalls nur die Fassade zur Straße herausgeputzt.« Und ebenso wie früher liegt der Grund auch heute in den geringeren Kosten.

Fazit

Ottemeier resümiert: »Insgesamt ist das Gebäude ein gelungenes Beispiel, wie sich der Ursprungszustand einer Fassade trotz Wärmedämmung widerherstellen lässt.« Somit ist das Stadtbild von Werden durch die Dämmung weder eintöniger, noch langweiliger geworden, sondern wieder ein Stück individueller.

Christoph Lindemann,Fachjournalist